Gedicht des Monats 2023: Juni / Juli
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Der Räuberhauptmann – Lips Tullian Im Jahre 1708 ist Kurfürst August an der Macht. Die Sachsen sind nicht unzufrieden, nur eine Sache stört entschieden.
Egal sind ihm die eignen Leute, so machen Räuber fette Beute; kaum Wachschutz in den Weg sich stellt, was Bösewichtern sehr gefällt.
Am Schlimmsten ist Lips Tullian – ein fieser Kerl mit großem Clan. „Die Schwarze Garde“ heißt die Bande, verbreitet Angst im Sachsenlande.
Doch nicht nur hier, sogar in Prag vernimmt man Böses Tag für Tag, auch bis nach Erfurt und Berlin sieht man die Gauner raubend ziehn.
Und jeder, der was hat, erzittert, weil ein Verbrecher dieses wittert. Zig Häuser, Kirchen, Krämerläden, sind ausgeraubt mit großen Schäden.
Auch Kutschen werden überfallen, die Schreie laut, Pistolen knallen; und wer sich weigert, was zu geben, verliert … sein eignes Leben.
Soldaten, die Lips auf der Spur, kann man zunächst bedauern nur. Er lebt im Schutz der Kameraden, die halten von ihm jeden Schaden.
Die Räuber sind gut strukturiert, mit vielen Waffen, meist maskiert, sind gut versteckt und gut vernetzt, ein jeder Posten ist besetzt. Zusammenhalt wird großgeschrieben, die Anzahl steigt auf hundertsieben.
Die Lage also ist nicht gut, es fehlt an Wachen, Waffen, Mut. Und in Gesprächen, die man hört, ist man in Angst, genervt, empört.
Auch auf dem Fest beim Grafen Bahre (sein Sohn wird heute 18 Jahre) ist das besagte Thema groß, wie schützt man sich vor Räubern bloß?
Sehr viele Gäste feiern mit, so auch Baron von Lümmeltritt. Er kam mit seiner schönen Frau schick angereist aus Reichenau.
Und der Baron betrübt erzählt, was ihn seit Wochen nun schon quält. „Die Räuber auch bei uns schon waren. Man glaubt nicht, was das für Gefahren. Gottlob, wir sind gesund geblieben, ich hatte uns schon abgeschrieben. Zwar bin ich seitdem gut bewacht, doch schlaf ich schlecht seit jener Nacht.“
Der Graf versteht und zeigt ihm, wo er selbst versteckt sein Wert-Depot: Das Geld im Wandloch hinterm Spiegel; im Keller hinter Schloss und Riegel hat er den Wein, das Gold, den Schmuck.
Zum Abschied fest der Händedruck. „Besuch mich bald in Reichenau.“
Die Kutsche holt Baron und Frau. „Mein lieber Freund, ich komme bald.“ Sie steigen ein, die Peitsche knallt. Doch nicht sehr weit geht diese Fahrt.
Perücke runter, ab sein Bart … Aus dem Baron wird Lips, der Fiese. Die Kutsche hält an einer Wiese. Kein Überfall, kein sonstig Schaden, es warten treu die Kameraden.
Am Lagerfeuer sitzen sie und planen wer und wann und wie.
Drei Tage später große Not, das Haus beraubt, der Graf ist tot.
Sein Sohn voll Trauer, aber klug, der ahnt und wittert den Betrug. Das Herz gebrochen, schwört er Rache. Er investiert in eigne Wache und sucht geheim den Bösewicht; denn den Baron, den gibt es nicht.
Zum Glück erkennt der Kurfürst nun, hier muss er endlich etwas tun. Mehr Sicherheit für Land und Leute; die Polizei verstärkt ab heute; Kontrollen stehn an jeder Ecke, das bringt manch Unhold jäh zur Strecke.
Nur einer ist und bleibt verschwunden, man hat den Chef noch nicht gefunden.
Doch dann erhält der Wachschutz Tipps, wo sich versteckt der böse Lips.
Man stürmt in Freiberg eine Mühle, es krachen Türen, fliegen Stühle. Lips Tullian ersticht den Ersten (der Erste hat‘s nun mal am schwersten); die anderen Soldaten packen Lips fest an Beinen und am Nacken.
In Dresden hinter Festungsmauern, man kann ihn wahrlich nicht bedauern, sitzt angekettet er im Dreck.
Der Richter urteilt: „Der muss weg. Doch lasst ihn noch vier Jahre leiden, dann soll er aus dem Leben scheiden.“
Und zwanzigtausend Menschen sehn (die alle auf dem Marktplatz stehn), wie Lips, der zum Schafotte schleicht, schon optisch einer Leiche gleicht. Die letzten Worte, die er spricht: „Tut das, was ich tat, lieber nicht!“
Die Menge jubelt, ist bewegt, als man dem Kerl den Kopf abschlägt.
Der Sohn des Grafen ist zugegen. Dem Kurfürst kam es ungelegen. Denn Lips hat nun gerade heute verraten, wo die größte Beute.
Und August steht vor Felsgestein, dort führt man ihn ins Innere rein.
Im Felsen, wo es ziemlich dunkelt, wo nur die Diebesbeute funkelt, dort lacht sein Herz – er ist gern reich – und ordnet an: „Schafft mir sogleich den ganzen Reichtum schnell nach Hause.
Zuerst gibt‘s eine große Sause. Den Rest, den plane ich zu spenden, den werd ich für mein Volk verwenden, wo jeder etwas davon hat; mein Dresden wird die schönste Stadt.“
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